Aus Jay`s Beautylounge wird Pure Skin by Jean-Pascal Kruse
Epigenetik: Eine Wissenschaft (auch) für die Beauty-Branche
"Dafür kann ich nichts, das wurde mir vererbt!" Die gute alte Erklärung für bestimmte Faktoren, an denen die Gene "Schuld" sein sollen, ist überholt. Zwar sind wir (auch!) immer noch das genetische Produkt unserer Vorfahren. Aber – und diese Erkenntnis ist relativ neu – wir sind keine Marionetten unserer Gene und unserem Erbmaterial nicht machtlos ausgeliefert. Wir Menschen bestehen zwar auch aus genetischem Material, aber wir sind ja nicht nur unsere Zellen, sondern unsere Welt ist auch unsere Umwelt. Dabei ist so eine kleine Zelle eigentlich schon eine ganze Welt für sich: Auf über 20.000 Gene kann eine menschliche Zelle zugreifen – doch den Großteil schaltet sie ab. Wie funktioniert das, und welche Konsequenzen hat das An- und Abschalten der Gene? Antworten liefert die Epigenetik – und unser aktuelles Monatsthema, das die relativ junge Wissenschaft auch unter die "Beauty-Lupe" nimmt und erklärt, was Epigenetik mit Kosmetik zu tun hat.
Eines vorweg: Eines vorweg: Epigenetik ist eigentlich nichts Neues. Immerhin hat schon Aristoteles von "Epigenes" gesprochen (meinte damit allerdings die Entwicklung individueller organischer Formen aus formloser Substanz). Neu ist das wissenschaftliche Forschungsgebiet Epigenetik und die daraus gewonnenen Erkenntnisse, die alte Vererbungslehren über den Haufen zu werfen scheinen.
Der Begriff ist zusammengesetzt aus den Wörtern Genetik und Epigenese, also der Entwicklung eines Lebewesens. Die Wissenschaft der Epigenetik erforscht jene (Umwelt-)Faktoren, welche die Aktivität der Gene regulieren und deren Funktion individuell regulieren. Dabei entstehen keine Mutationen, das heißt: Die Gensequenz (also der Kern, die DNA, genauer: die Reihenfolge der Basen A, T, C und G im Zellkern) wird nicht verändert. Warum ist das nötig? Der Mensch braucht eine flexible Anpassung an die Anforderungen des Lebens. So dient die unterschiedliche Genaktivität unter anderem der zeitlich flexiblen Steuerung des Stoffwechsels und des Immunsystems oder der Balancierung von Hormonen. Auch die Rhythmen des Lebens sind über die epigenetische Modifikation verankert.
Je nachdem, wo und wie diese Veränderungen in unserem Genom vorliegen, zeigen sich unsere persönlichen gesundheitlichen Herausforderungen (zum Beispiel auch Hautkrankheiten). Können wir aber die Epigenetik unserer Zellen wirklich beeinflussen? Und wenn ja, können wir "schlechte Veränderungen" in unserem Genom harmonisieren? Und was kann die Kosmetik dazu beitragen?
Dass wir unsere Gen-Aktivität (nicht die Gene!) beeinflussen können, ist mittlerweile unstrittig. Wir wissen, dass Ernährung und Bewegung sowie Yoga oder Meditation positive epigenetische Einflüsse haben, wogegen sich ein ungesunder Lebensstil und Umweltgifte negativ auswirken. All das verwaltet die Epigenetik (von griechisch "epi" für "darüber"). Oder anders formuliert: Sie repräsentiert eine dem eigentlichen Genom übergeordnete Führungs- und Verwaltungsebene. In der Arbeitswelt hätten sie einen Beamtenstatus oder wären Manager eines Weltkonzerns. Die Epi-Gene steuern unsere Gene – ähnlich wie ein Kapitän auf See sein Schiff steuert, ohne dabei das Transportmittel (das Schiff) oder den Transportweg (das Meer) zu verändern.
"Tatsächlich machen unsere gut 20.000 Gene nur einen winzigen Teil des Erbgutes aus – über 90 Prozent haben andere, zum Teil auch bisher unbekannte Funktionen. Bekannt sind insgesamt vier Millionen Schalter, die eigentliche Schaltzentrale des Erbguts, von denen die Gene gesteuert werden. Und bei jedem Menschen ist der Schaltplan individuell", erklärt die Düsseldorfer Biologin Dr. Anja Vervoorts.
Uns interessieren hier also die Steuerelemente in der Schaltzentrale: Das sind die DNA-Strukturen, die die Aktivität von Genen regeln. Sie machen einen Großteil unseres Erbguts aus. Sie funktionieren so ähnlich wie ein Schalter, mit dem bestimmte Gene nach Bedarf an- oder abgeschaltet werden können. Zuständig für die Inbetriebnahme oder Stilllegung der Gene sind mannigfaltige Umweltfaktoren. Epigenetische Mechanismen, die wiederum von inneren und äußeren Umweltfaktoren beeinflusst werden, bestimmen aber auch, welche Gene dauerhaft oder nur vorübergehend stillgelegt werden, weil ihre Informationen in der jeweiligen Zelle oder unter den aktuellen Bedingungen gerade nicht benötigt werden. So entscheidet letztlich die Epigenetik über die Funktion von Zellen und Organen. EpigenetikerInnen untersuchen sozusagen die Verpackung der DNA in der Zelle. Im Gegensatz zur DNA, die in jeder Körperzelle gleich ist, ist die Verpackung nämlich verschieden. Sonst hätten wir ja nur identische Zellen.
PROBIOTISCHE HAUTPFLEGE: WIE WIR DAS MIKROBIOM DER HAUT SCHÜTZEN KÖNNEN
PROBIOTIKA SIND VOR ALLEM ALS BESTANDTEIL ODER ZUSATZ IN BESTIMMTEN NAHRUNGSMITTELN BEKANNT. DIE MIKROSKOPISCH KLEINEN HELFERLEIN KÖNNEN UNSER KÖRPERLICHES WOHLBEFINDEN POSITIV BEEINFLUSSEN.
WAS SIND PROBIOTIKA UND WELCHE FUNKTIONEN HABEN SIE?
Als Probiotika werden Zubereitungen bezeichnet, die lebende Mikroorganismen enthalten. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „für Leben“. Probiotika werden in erster Linie über die Nahrung aufgenommen und können so die Darmflora unterstützen. Probiotika sind von Natur aus in verschiedenen Lebensmitteln enthalten, darunter Joghurt, bestimmte Käsesorten oder Sauerkraut. Darüber hinaus gibt es auch probiotische Nahrungsergänzungsmittel in Form von Kapseln oder Pulver. Für die Haut spielen Probiotika ebenfalls eine wichtige Rolle und kommen deshalb immer häufiger als Wirkstoff in Hautpflegeprodukten zur Anwendung.
Gut zu wissen: Probiotika sind nicht mit Präbiotika zu verwechseln. Während es sich bei Probiotika um lebensfähige Mikroorganismen handelt, sind Präbiotika unverdauliche Ballaststoffe. Sie dienen den Darmbakterien als Nahrung und fördern ihr Wachstum.
Als Mikrobiom wird die Gesamtheit sämtlicher Mikroorganismen verstanden, welche einen Makroorganismus besiedeln – sprich, einen Menschen oder ein anderes Lebewesen. Hierbei handelt es sich hauptsächlich um verschiedene Arten von Bakterien, es gehören aber auch bestimmte Viren, Pilze und Hefen dazu. Was im ersten Moment etwas befremdlich erscheinen mag, ist essenziell für unser körperliches Wohlbefinden. Die Mikroorganismen besiedeln den gesamten Körper, sind aber vor allem im Verdauungstrakt (Darmflora) und auf der Haut (Hautflora) zu finden. Das Mikrobiom des Darms hat maßgeblichen Einfluss auf die Verdauung und das Immunsystem. Befindet sich das Mikrobiom im Gleichgewicht, hält eine Vielzahl von sogenannten guten Bakterien potenziell schädliche Bakterien unter Kontrolle.
Das Mikrobiom der Haut
Ähnlich wie im Darm, erfüllen die guten Bakterien auf der Haut ebenfalls eine schützende Funktion: sie sind maßgeblich daran beteiligt, die Haut vor äußeren Einflüssen zu schützen und unerwünschte Bakterien abzuwehren. Zudem trägt die Hautflora zu einer intakten Hautschutzbarriere bei.(1) Damit diese Aufgaben bestmöglich erfüllt werden können, ist eine große Bakterienvielfalt von Vorteil. Mittlerweile weiß man, dass das individuelle Mikrobiom eines Menschen so einzigartig wie ein Fingerabdruck ist. Wie sich das Mikrobiom jeweils zusammensetzt, hängt dabei von mehreren Faktoren ab, wie beispielsweise der genetischen Veranlagung, verschiedenen Umweltfaktoren und dem eigenen Lebensstil.
GIBT ES EINE VERBINDUNG ZWISCHEN UNSEREM DARM UND DER HAUT?
Laut Studien hat das Mikrobiom des Darms Einfluss auf das Mikrobiom der Haut. Um diese Wirkung zu erklären, müssen wir zunächst auf die Darm-Hirn-Achse eingehen. Dieser Begriff steht für die wissenschaftlich belegte Verbindung von Darm und Gehirn, genauer gesagt dem zentralen Nervensystem. Auch der Darm verfügt über ein Nervensystem, welches eine Vielzahl von Vorgängen im Körper steuert.(3) Es wird deshalb umgangssprachlich auch Bauchhirn genannt. Die beiden Nervensysteme scheinen in regem Austausch zu stehen und können sich gegenseitig beeinflussen. Auch das Mikrobiom des Darms ist an der Kommunikation beteiligt, indem darmfreundliche Bakterien spezielle Botenstoffe sowie Serotonin (häufig als Glückshormon bezeichnet) und Dopamin herstellen.(4) Eine Vielfalt an guten Bakterien kann also beispielsweise unser seelisches Wohlbefinden positiv beeinflussen.
Die Darm-Haut-Achse
Seit einiger Zeit befasst sich die Wissenschaft mit der Darm-Haut-Achse, oder auch Darm-Hirn-Haut-Achse. Klar scheint bislang zu sein, dass der Darm und die Haut über das Immunsystem miteinander verbunden sind.(5) Demnach wird davon ausgegangen, dass ein Ungleichgewicht im Darm-Mikrobiom und/oder dem Haut-Mikrobiom für eine veränderte Immunantwort sorgt. Diese wiederum begünstigt inflammatorische Hautanliegen wie beispielsweise Neurodermitis oder Schuppenflechte.
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